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Augenzeugenberichte, humanitäre Krise

Nastya Kopteva’s offener Brief an Vladimir Putin

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Ganz rechts im Bild: Nastya und ihr Vater, aufgenommen am letzten Tag als sie ihn lebend sah.

Original erschienen auf mnews: Письмо Насти Коптевой Президенту РФ Владимиру Путину / April 30, 2015
Aus dem Englischen übertragen von Marcel Sardo  – Editiert von @GBabeuf

 

Präambel: Nastya und ihre Mutter haben kein Internet zu Hause, manchmal gibt es auch kein Wasser oder Licht. Oft suchen sie Schutz vor dem Beschuss ihrer Stadt in einem Lagerraum für Kartoffeln, 2 x 2 Meter gross, im Keller ihres Hauses in der Sobinow Strasse, Kievsky Bezirk in Donetsk. «Nastya weint nie in der Öffentlichkeit», sagt ihre Mutter unter Tränen, die selber immer noch nicht glauben will, dass ihr Mann Pascha tot ist, in der Hoffnung, dass er noch irgendwo im Krieg ist, bloss nicht in der Lage mit seiner Familie in Kontakt zu treten.

 

Seien Sie gegrüsst, verehrter Vladimir Vladimirowitsch!

 

Mein Name ist Anastasia und ich lebe in Donetsk. Ich weiss, dass Sie ein sehr beschäftigter Mann sind aber ich möchte Ihnen heute über mein Leben erzählen.
Warum gerade Ihnen? Vor zwei Monaten, starb mein Vater. Er war in der Miliz der Donetsker Volksrepublik. Er meldete sich Anfang Juli [letzten Jahres] freiwillig, meine Mutter und ich habe ihn seit sieben Monaten nicht gesehen, weil er immer an der Front war. Während eines Gefechts in der der Nähe des Flughafens von Donetsk Ende Januar, wurde mein Vater tödlich verwundet. Jetzt sind wir ganz allein. Unser Haus steht in der Nähe des Flughafens und sehr oft mussten wir uns den ganzen Tag im Keller verstecken, auch meine Schule wurde zweimal beschossen. Ich gehe jetzt in einem anderen Teil der Stadt zur Schule. Ich besuche die Kunstschule und in diesem Jahr werde ich an der Städtischen Musikschule meinen Abschluss machen. Viele meiner Freunde und Klassenkameraden haben Donetsk im letzten Sommer schon verlassen, wir selber sind hier keinen Tag weg gegangen. Ich bin in Donetsk geboren und ich liebe meine Heimatstadt, meine Mutter und ich konnten hier nicht weg, auch wenn sie selbst, vielleicht, auch Angst vor dem Beschuss hatte. Aber wir haben beide überlebt – gemeinsam.

Jetzt gibt es fast keine Schießereien mehr, ich habe nicht mehr Angst, wenn meine Mutter das Haus verlässt. Aber nach Papas Beerdigung wurde es sehr leer hier, er hat uns immer beschützt und für uns gesorgt – und jetzt gab sogar sein Leben für uns. Ich vermisse ihn, ich vermisse ihn sehr. Vielleicht ist es etwas seltsam, aber ich habe mich entschied Ihnen zu schreiben.

Wenn ich Sie im Fernsehen höre, dann habe ich das Gefühl, dass Sie uns alle beschützen können. Bitte beschützen Sie mich, meine Mutter und unsere Stadt vor dem Krieg, wir haben die Hoffnung auf Hilfe aufgegeben. Meine Mutter sagt oft, dass die Hauptsache ist, dass wir am Leben bleiben um zu gewinnen. Meine Großmutter überlebte den Krieg gegen die Nazis als Kind und sie sagte immer, dass der Tag des Sieges ein höherer Feiertag sei als Ostern [der höchste orthodoxe christliche Feiertag –red.]. Leider ist mein Vater nicht mehr in der Lage unseren Tag des Sieges gemeinsam mit uns zu feiern, aber wir glauben an ihn, wir werden gewinnen, denn das Gute ist auf unserer Seite.

Und doch habe ich einen Traum – ich möchte zum Tag des Sieges nach Moskau reisen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie die Menschen dort feiern und um das Feuerwerk zu sehen. Nach einem Jahr unter Bomben, indem ich vergessen habe was ein Urlaub ist, wünsche ich mir sehr, dass meine Mutter aufhört zu weinen und ich ihr Lächeln wieder zu sehen bekomme. Und ich hoffe, dass die Lächeln um uns herum von Tag zu Tag mehr werden.
Ich bitte Sie, wenn Sie helfen können, bitte helfen Sie uns – es ist eine grosse und lang ersehnte Freude auf die wir warten.

Vielen Dank für alles.

Nastya Kopteva

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