Ungebrochenes Saporoschje
von Wassili Semjonow
übersetzt von MATUTINSGROUP
Novorosinform.org, 19. April 2016 – 17:09 Uhr.- Vor zwei Jahren inspirierte uns aus freiem Willen der frische Wind des russischen Irredentismus, so daß viele von uns hofften, daß aus der Stagnation der ukrainischen Nebelkerzen ein neues Land namens Neurussland geboren werden würde. Nun wird es ein wenig mehr Mühe kosten, damit wir alle, das Volk von Donezk, Charkow, Lugansk und alle in Saporoschje, Nikolajewa und Odessa so glücklich wie die Bürger auf der Krim wieder heimkehren nach Russland, wieder vereint sein werden mit der russischen Welt, deren Teil wir waren und sein werden.
Dies ist jedoch noch nicht erfüllt worden. Entgegen dem chinesischen Sprichwort begann der Wind aus dem Westen den Wind aus dem Osten zu überflügeln. Zuerst gewann die Oligarchie in Dnjepropetrowsk die Oberhand, wo die aus dem Maidan-Abschaum rekrutierten Banden von Gouverneur Kolomoisky auf die Aktivisten einschlugen. Dies geschieht derzeit im Einklang mit der alten Tradition der Bandera-Faschisten „1% Prozent der aktivsten Gegner zu beseitigen, verwandelt den Rest in eine unterwürfige Herde“.
Aber die Begeisterung wegen Neurussland war immer noch so groß, dass man in der Region Dnjepropetrowsk diesen Verlust beinahe gar nicht bemerkte. Charkow und Donezk gaben sofort ihre Absicht bekannt, schnellstmöglich ein Referendum abzuhalten, was am 7. April 2014 allerdings zur Ausrufung von nur zwei Volksrepubliken führte.
Wobei am 8. April Charkows Volksrepublik von den aus Kiew und Galizien eingetroffenen „Strafbataillonen“ zerschlagen wurden. Hunderte Aktivisten wurden zusammengeschlagen und ins Gefängnis geworfen.
Dennoch änderte sich das Kräfteverhältnis nur sehr zögerlich. Das Schicksal Neurusslands sollte offenbar mit einem geglückten Bruch in Erscheinung treten. Ab 13. April hatte sich das Regime der proklamierten Volksrepublik Donezk bereits auf das gesamte Gebiet der Region Donezk ausgebreitet. Ebenso waren aktive Kräfte des Antimaidans auch in Lugansk am Werk.
Standhaft hielten sich in Saporoschje die Gegner des Kiewer Maidans. Außerdem begab sich eine große Gruppe von Aktivisten von Saporoschje aus auch nach Lugansk, wo sie den Gleichgesinnten vor Ort halfen, das Gebäude des SBU zu stürmen. An den Massenprotesten gegen die Junta in Kiew nahmen in Saporoschje immer mehr Menschen teil. Buchstäblich stand der Schritt bevor, dass unmittelbar die drei Volksrepubliken Donezk, Saporoschje und Lugansk dem Regime der Nationalisten, die den Putsch inszeniert hatten, entgegentreten würden. Und zu diesem Kern würden sich Odessa, Nikolajewa, Cherson usw. gesellen.
In Kiew berücksichtigten sie eine solche Perspektive und verstärkten ihr Vorgehen. Am 13. April 2014 kündigte der Usurpator der Macht Olexander Turtschinow, welcher sich zum Stellvertreter des Präsidenten und Oberbefehlshaber ernannt hatte, den Beginn der „Anti-Terror-Operation“ („ATO“) an, was faktisch eine Kriegserklärung war.
Gegen Saporoschje wurden sofort über 2500 Bewaffnete aus Dnjepropetrowsk und Charkow zusammengezogen, wo sie bereits die Ausbildungslager junger Angehöriger von Strafbataillonen durchlaufen hatten. Die Stadt wurde von allen Seiten mit Straßensperren blockiert. Jede Bewegung in die Stadt und aus der Stadt wurde überwacht. Am Morgen des 13. April 2014 begann in Saporoschje der große Feiertag des Palmsonntag. Viele Saporoschjer versammelten sich nach dem Gottesdienst im Zentrum der Stadt vor der Stadtverwaltung zu der vom Stadtrat genehmigten Kundgebung auf der Allee des militärischen Ruhmes. Von dort aus sollte der „Marsch der freundlichen Kosaken“ als Aktion der Anhänger der Föderalisierung der Ukraine starten.
Außer den Männern kamen viele ältere Menschen, Kinder und Frauen und sogar Vertreter der Stadt dorthin. Letztere wußten von den geplanten Provokationen und unternahmen dennoch nichts, um das vorbereitete Massaker zu stoppen.
Ziel des Einsatzes der faschistischen Freikorps-Kämpfer war es, Unruhen zu verursachen, zumindest einige der Demonstranten in die Seitenstraßen und Sackgassen oder dafür ausgewählte Gebäude abzudrängen und sie dort zu massakrieren. Kurz gesagt war Saporoschje die Generalprobe für das Drehbuch, welches die Faschistem am 2. Mai mit besonderem Zynismus grausam in Odessa umsetzten.
Wie einer der Führer des Saporoschjer Widerstands Artjom Scharlaj behauptete, rissen nur dank der Standhaftigkeit der Volksmiliz von Slawjansk die blutigen Vorhaben in Saporoschje ab. Etwa dreihundert Saporoschjer waren acht Stunden lang den Banden vom Maidan ausgesetzt. Dutzende von ihnen erlitten schwere Verletzungen und Verbrennungen. Aber dadurch, daß sie die Wut des Strafbataillons auf sich zogen, retteten sie weiteren Dutzenden und möglicherweise Hunderten Landsleuten das Leben.
Niemand ging vor den wütenden Faschisten auf die Knie. Wer gegen das Maidan-Chaos demonstrierte, wurde von den Söldnern Kolomoiskys gefangengenommen. Der Rest wurde auf die Polizeiwache genommen, dort registriert, dann freigelassen. Wobei am nächsten Tag die Polizei bereits in ihre Häuser eindrang und mit ihren Inhaftierungen begann.
Daher hatten diese Menschen keine andere Wahl, als die Stadt zu verlassen und sich dorthin zu begeben, wo der Kampf noch im Gange war. So war aus dem System des Widerstandskampfes gegen die Junta in Kiew ein wichtiges Verbindungsglied rausgeschlagen worden. Wonach gelang, gegen den Donbass an seinen Grenzen an der geschlossenen Frontlinie eine zusammenhängende Offensive zu organisieren. Unmittelbar begann dann die Schlacht um Slawjansk, Kramatorsk und die strategischen Verteidigungspunkte des Donbass.
Die Saporoschjer kämpfen weiter
Obwohl viele von denen, die versuchten, ihre angestammte Heimatstadt Saporoschje zu verteidigen, gezwungen waren, ihre Stadt zu verlassen, gab es immer noch jene, die nicht die Hoffnung verloren, in ihrem eigenen Land den Strafbataillonen Widerstand entgegenzusetzen. Sie organisierten die ersten Kampfgruppen und Partisaneneinheiten in der Region Saporoschje. Im Sommer 2014 nahe dem Dorfes Gulyaj-Polje im Bezirk Salisnitschnoje der Region Saporoschje führten die Partisanen einen ersten großen Vergeltungsschlag durch.
Sie zerstörten einen Konvoi von 6 Tanklastwagen der ukrainische Armee. Darüber hinaus gelang ihnen, zeitweilig einen Streckenabschnitt der Dnjepr-Bahnlinie zu blockieren, über welchen das ukrainische Oberkommando zur Verstärkung Strafbataillonskämpfer in den Donbass transportierte. Die Partisanen führten eine erfolgreiche Aktion im Dorf Malinowka durch, wo Nationalgardisten und ihre US-amerikanischen Ausbilder von ihnen in einen Hinterhalt gerieten. Zerstört wurden dabei ein Transportfahrzeug „Ural“, ein Transportfahrzeug „Kras“, zwei LKW „Kamas“ und ein US-Schützenpanzerwagen „Hummer“. Danach gab es den Angriff auf das Militärkommissariat der Ortschaft Wysokopolje in der Region Cherson, wo Dokumente, Computer-Festplatten und Kleinwaffen von den Partisanen erbeutet wurden.
Während die ungeschlagenen Saporoschjer, die auf dem Territorium der Region geblieben waren, aus dem Untergrund heraus gegen den Feind kämpften, kämpfte eine beträchtliche Anzahl von ihren Mitbürgern in den Einheiten der Volksmiliz von Donezk und Lugansk an den Fronten des Donbass gegen die faschistischen Strafbataillone.
Besonders bekannt unter ihnen wurde Alexander Agapow, Spitznamen „Sascha der Tapfere“, welcher in seinem zivilen Leben als Bergmann gearbeitet hatte. 2011 verzog er mit seiner Familie aus Saporoschje in die Region Donezk. Erst einmal kam er dann am 22. Februar 2014 zum Lenin-Platz in Saporoschje, wo die Nazis das Lenin-Denkmal demontieren wollten, was jedoch die Einwohner der Stadt verhinderten. Alexander schloß sich den Anhängern des Antimaidans an und war von da an bei all ihren Handlungen beteiligt. Zusammen mit dreißig Saporoschjern begab er sich am 6. April 2014 nach Lugansk, wo er an der Erstürmung des SBU-Gebäudes teilnahm. Zu dieser Zeit war die Widerstandsbewegung in der Region Saporoschje regionenweit eine der stärksten Widerstandsbewegungen. Am 13. April 2014 war Agapow unter jenen heldenhaften 300 Saporoschjern, die den faschistischen Söldnern gegenüberstanden. Verdientermaßen werden diese tapferen Jungs aus Saporoschje „die 300 Spartaner“ genannt.
Als am Ende klar wurde, dass der Widerstand Saporoschjes gebrochen war, wartete Alexander seine Verhaftung nicht ab, sondern er begab sich in die Donbass, wo er sich bereits am 30. April 2014 der Miliz anschloss. Im Sommer nahm er an den schweren Kämpfen bei Peski teil, erlitt bei Jassinowataja eine schwere Quetschung und wurde eine lange Zeit lang behandelt. Wie alle seine im Donbass kämpfenden Landsleute ist er stets zuversichtlich, dass früher oder später das Land aus dem nationalistischen Abgas aufwachen wird und sie nach Hause in ihr freigekämpftes Saporoschje zurückkehren werden. Immerhin war Saporoschje ursprünglich eine russische Stadt. Saporoschje wurde auch im Jahr 1775 im Vertrag von Küçük Kaynarca in das Russische Reich eingeschrieben. Saporoschje war das letzte Stück des „Wilden Feldes“, auf dem sich nur einige Nogai-Nomaden befanden.
Das gegenwärtige Saporoschje befand sich ursprünglich auf der Insel Kleine Chortyzja, und die jetzige umgemodelte Saporoschjer Museum steht in keinem Zusammenhang mit der wahren Geschichte dieser Stadt. Wie der Name „Saporoschje“ ebenfalls künstlich auf die russische Stadt Alexandrowsk gekleistert wurde.
Und alles am unteren Dnjepr linksseitig war bis in die 1920er Jahren Teil der Taurischen Provinz, welche auch die Halbinsel Krim enthielt. 1921 wurde das Taurische Gouvernement aufgelöst und als Nord-Taurien in die künstlich vernetzte Struktur der Ukrainischen SSR übertragen. Die Festland-Bewohner des Taurischen Gouvernements waren russische, deutsche, schwedische, tschechische Siedler. Weder die Griechen noch alle anderen fragten um eine Erlaubnis. Genauso wie sich Chrustschow 1954 auch nicht um die Meinung der Bewohner der Krim scherte. Obwohl auf der Krim die historische Gerechtigkeit noch den Triumph davongetragen hat, bedarf es für ein vollständiges Vorhandensein der russischen Krim unbedingt der Wiedervereinigung mit Nord-Taurien auf dem Festland, was heißt, mit dem Saporoschje selbst und Cherson. Immerhin kommt von dort der Großteil des Trinkwassers für die Krim. In dieser Region bestehen seit langem starke Handels-, Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen.
Konkret die Wiedergeburt Neurusslands wäre der Hebel für eine Umwandlung der einstigen Ukraine. Bleibt zu hoffen, dass solche Kämpfer der Volksmiliz wie Alexander Agapow, die konkret für diese Ideen, nicht jedoch für irgendwelche seltsamen Gebilde mit Sonderstatus wie die besonderen Gebiete in den Regionen Donezk und Lugansk laut den Vereinbarungen von Minsk kämpften, die für niemand außer den Diplomaten von Interesse sind. Für die Umwandlung der Ukraine kämpfen und kommen im Donbass all diejenigen um, die von dem faschistischen Regime in den verschiedenen Regionen, darunter der Zentral-, Nord- und sogar westlichen Ukraine nicht gebändigt wurden. Auf ihre Befreiung warten und hoffen Hunderttausende Menschen in der Ukraine, deren ideologische Grundhaltung nicht über das Knie gieriger und finsterer Politiker gebrochen werden kann, die Marionetten der westlichen Welt sind. Die Ideen Neurusslands können in den schlauen Plänen von Politologen ausgeblendet werden. Sie jedoch aus den Herzen der Menschen zu entfernen, die sich für eine gerechte Sache im Aufstand befinden, wird nicht funktionieren.
Wassili Semjonow
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