Gennady Dubowoj: „Wir sind de jure Ukraine, de facto Russland“
übersetzt von MATUTINSGROUP
Russkaja Planeta, 19. Oktober 2015 – 14:21 Uhr.- Der Blick aus der Volksrepublik Lugansk auf die Zukunft der Volksrepubliken des Donbass und des Projekts Neurussland („Novorossija“).
Gennady Dubowoj wird ein legendärer Kriegsberichterstatter genannt. Und dies beinhaltet nicht mal eine Andeutung von Pathos.
Gennady, der in der Einheit von „Motorola“ diente, dann in das Bataillon „Wikinger“ wechselte, ist der Chronist des Krieges im Donbass und der Ideologe Neurusslands/Novorossijas. Aber das Wort „Kriegsberichterstatter“ passt nicht ganz auf Gennady, der vielmehr ein Kämpfer mit Fotoapparat und dem Deckname „Korrespondent“ ist. Im exklusiven Interview für „Russischer Planet“ teilt Dubowoj seine Sicht auf die Zukunft des Donbass, dessen gegenwärtige Probleme und die Wege zu einer Lösung mit.
Wortlaut des gesamten Interviews mit Gennady Dubowoj
Frage: Gennady, Sie sind gerade aus Donezk eingetroffen. Was geht vor sich? Welche Stimmung herrscht in der Volksmiliz und in der Zivilbevölkerung?
Gennady Dubowoj: Der Waffenstillstand läuft. Eine langwierige Pause in Erwartung des Ablaufs der Frist der Minsker Abkommen. An der Front geschieht nichts, mit Ausnahme der kleinen Gefechte von den Tatsachen her. Und hier ist nichts darüber zu sagen.
Sprechen wir von der Stimmung der zivilen Bürger zu sagen, so warten sie im Großen und Ganzen nur das Eine: Wann wird das Referendum über den Anschluss dieser Territorien an die Russische Föderation durchgeführt werden? Dabei versteht die Mehrheit, dass dieser Anschluss nicht sofort, sondern erst in einem juristischen Moment geschehen wird, weil man die Weltöffentlichkeit dazu bringen muss, dass dieser Anschluss schnell zu geschehen hat. Solche Stimmungen sind vorhanden.
Dass die Menschen von Rückkehr in die Ukraine träumen würden, wie die ukrainische Seite schrieb, stimmt nicht. Ja, es kehren derzeit sehr viele ukrainische Beamte und Sicherheitskräfte zurück und versuchen gerade sich zu integrieren und werden häufig in die Strukturen der Volksrepubliken Donezk und Lugansk eingebaut. Wo sie aber keine Rolle spielen. Sie werden deutlich unter Kontrolle gehalten.
Politisch ist die Situation einzigartig strukturiert. Wir sind de jure Ukraine, de facto Russland.
Frage: Vor nicht all zu langer Zeit wurde eine Umfrage durchgeführt. Ihr zufolge sieht die Mehrheit der russischen Bürger den Donbass nicht in der Russischen Föderation. Denken Sie, dass der Wechsel so einer Position eine Frage der Zeit ist?
Gennady Dubowoj: Ich denke, dass dies eine Frage der Situation ist. Und zwar die Frage veränderter Bedingungen. Man stelle sich vor, was das Volk gemeint hätte, wenn so eine Umfrage vor den Ereignissen auf der Krim gemacht worden wäre. Für die meisten dieser Bürger war dies damals Territorium der Ukraine. Und nur eine explosive Situation, die Notwendigkeit, ihrem russischen Volk zu helfen, veränderte die gesamte mentale, soziale und politische Stimmung. Dasselbe gilt hier. Das Volk ist kriegsmüde. Dann hat die Propagandamaschine den ganzen Informationsfluss verändert. Alles schaltete um auf Syrien, auf andere Themen. Für das normale Volk hat das Problem Neurussland nicht aufgehört, von Bedeutung zu sein. Neurussland ging im Kontext der anderen Probleme unter. Wird diese Figur Neurussland wieder beleuchtet, wird das Volk die Meinung ändern. Ich bin mehr als überzeugt davon.
Frage: Sie schrieben einen Beitrag darüber, dass der Krieg vorüber ist, Sie für die Wiederherstellung und Stärkung des neuen Sklavenhaltersystems der Oligarchen und Parasiten gekämpft hätten, die Sie benutzten … Können Sie Ihren Standpunkt klarstellen?
Gennady Dubowoj: Ich erkläre das. Für denjenigen Mensch, der für das riesige Vorhaben, für die Größe und die Wiederherstellung der russischen Welt kämpfte, hat so ein plötzlicher Stopp gefühlsmäßig eine negative Wirkung. Ich habe einfach die Wahrnehmung der Mehrheit widergespiegelt, die für die Verteidigung der russischen Welt aufgestanden sind. Sie sagen da, man solle abwarten und müsse möglicherweise sehr lange abwarten. Wer weiss, wie lange. Vielleicht Jahrzehnte, wenn nicht noch länger. Jetzt ist der Algorithmus einer friedlichen Umgestaltung der Ukraine von innen in Betrieb genommen worden. Aber dies kann jahrelang dauern.
Betreffs des Neosklavenhaltersystems handelt es sich darum, dass wir jetzt in den Republiken eine doppelte Besteuerung haben, sich in der Wirtschaft jedoch kaum etwas geändert hat. Wir sind wie Transnistrien, welches wirtschaftlich in Moldawien eingegliedert geblieben ist, ökonomisch Teil der Ukraine. Da fängt die Rückeingliederung an.
Alle diese ukrainischen Korruptionsschemen wirken innerhalb der Republiken. Wie sagen unsere Führer: „Zeigt, wo bei uns die Oligarchen sind, wir haben alle beseitigt.“ Aber dies ist Betrug. Die Karabassen und Barabassen stehen hinter dem Vorhang und ziehen weiterhin die Strippen. Sie haben bereits nicht mehr so viel Macht, nicht mehr so viel Eigentum wie einst. Aber bislang sind sie geblieben.
Das heißt, dass sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Modell gar nicht geändert hat. Alle dieselben Besitzer sind geblieben. Dieselbe Masse ist geblieben, die keine Perspektiven hat. Wie soll man diese Situation lösen?
Entweder völlig von Russland eingegliedert zu werden, auf allen Niveaus, was ein sehr langer, stufenweiser Prozess ist. Dabei gibt es viele Mängel. Aber zumindest eröffnet dies Perspektiven für den einfachen Bürger, weil Russland ein Land riesiger Möglichkeiten ist.
Oder jene Variante, die von vornherein geplant wurde: Neurussland als Plattform für sozial-ökonomische Experimente, das kreative Labor, wo wir die neuen Ideen des Zusammenlebens hervorbringen, wo jeder Bürger eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung hat.
In diesem Moment ist es doch so. Die Prozesse stoppen nicht. Gottseidank geschehen derzeit viele gute Dinge in den Republiken. Und das weiss ich. Jetzt laufen Investitionen der russischen Geschäftskreise an. Die staatliche Hilfe der Russischen Föderation erfolgt zweckbestimmt. Und niemand wagt dies anzutasten, weil dem nachgegangen wird. Und alle von den alten Regionalen verwendeten Korruptionsschemen der Geldkapitalflucht brechen zusammen, werden gestoppt. Aus ihnen wird nichts werden.
Frage: Sie sagten, dass Investitionen derzeit getätigt werden. Bezieht sich dies auf den Waffenstillstand? Oder gibt es da eine Art Weisung von oben? Oder sieht die russische Geschäftswelt Aussichten im Donbass?
Gennady Dubowoj: Das ist die lebende wirtschaftliche und soziale Selbstregulierung, denn wir sind de-facto Teil Russlands. Der Rubel ist die Währung. Die gesamte Lebensmittelpalette ist die humanitäre Hilfe der Russen. Dies beeinflusst, wie die wirtschaftlichen Strukturen gegliedert werden.
Das Energiewesen und einige grössere Industriekomplexe unterstehen ukrainischen Oligarchen. Alles andere sollte in Russland eingegliedert werden, weil sonst das normale Volk einfach nicht überleben kann.
Lässt man denselben von den Regionalen durchsetzten Beamtenapparat, die alte ukrainische Regierung leiten, werden alle diese Mittel in deren eigene Taschen umverteilt. Und die Republik wird ein Bantustan, was in Moskau klar begriffen worden ist. Und auf der privaten Ebene werden Leute, die in der Republik investieren, dies auch streng kontrollieren.
Frage: Immerhin ist der Krieg zu Ende gegangen, oder nicht?
Gennady Dubowoj: Nein, natürlich nicht. Urteilen Sie selbst. Bald läuft die Frist der Minsker Abkommen ab. Was kommt dann? Entweder verlängern sie sie für das nächste Jahr oder sogar noch auf weitere Jahre. Aber die Minsker Abkommen haben eine Punkt, einen Hemmklotz, der für die Ukraine völlig unannehmbar ist: alles wird nur mit Zustimmung der Republiken realisiert. Und wenn irgendeine Feinheit die Republik nicht zufrieden stellt, dann ist alles blockiert. Sofern zufrieden gestellt, können die Republiken die Situation so simulieren, dass die Ukraine niemals mitspielen wird.
Dann werden sie uns die reale Autonomie geben müssen. Was ist reale Autonomie? Das ist die wirkliche ökonomische und gleich danach unsere politische Unabhängigkeit, wo wir das Referendum über den Beitritt an Russland durchführen können.
Und das Wichtigste,- die Auswirkung der Autonomie wird sein, dass auch andere Regionen der Ukraine sie beanspruchen können, egal wer sie wie Kolomoisky oder sonst jemand verwaltet. Für sie ist dies tatsächlich vorteilhaft. Je mehr Unabhängigkeit es vom Zentrum gibt, um so weniger Kontrolle, um so weniger Macht liegt bei den Oligarchen und ihren Gefolgsleuten.
Fängt der Prozess des unvermeidlichen Zerfallens des Landes an, dann verstehen sie dies dort sehr gut. Die amerikanischen Kuratoren wollen diesen wunderbaren Brückenkopf nicht verlieren, von dem man bis ins Unendliche Russland kontrollieren kann. Daher muss immer alles mit Zustimmung der Republiken geschehen, wird es zu für uns vorteilhaften Bedingungen passieren.
Sind sie für uns nicht vorteilhaft, würde der Zusammenstoß in irgendeinem Moment geschehen. Dann werden sie versuchen, uns militärisch zu zerschlagen. Ich weiß nicht, in welchem Zeitrahmen. Doch darf man so eine Variante nicht ausschließen.
Frage: Können im Fall solch negativen Drehbuchs die Volksrepubliken auf die Aggression Kiews reagieren? Oder ist der Kampfgeist verloren gegangen?
Gennady Dubobowoj: Das ist eine rein rhetorische Frage, denn natürlich können sie. Und der Kampfgeist ist so eine Sache… Jetzt haben wir schon keine Volksmiliz mehr sondern eine Armee. Aber die Armee ohne Kampfhandlungen ist einfach ein Haufen Leute in Tarnuniformen und mit Waffen, weil sich der Mensch und die Einheit in Kampfhandlungen bewährt. Wir wissen gut, dass die unpassendsten Armeen die Stammarmeen einer Friedensperiode sind, die im Laufe eines Krieges zu 90 % der Prozente erneuert werden.
Das Problem der heutigen Armeen der Volksrepubliken Donezk und Lugansk besteht darin, dass sie zu 80 % aus Menschen bestehen, die in der Waffenstillstandsperiode in den Dienst genommen worden sind und niemals reale Kampfhandlungen erlebten. Keine Ausbildung kann eine reale Kampfhandlung ersetzen.
Ein anderes Problem besteht darin, dass die Mehrheit der Menschen nur wegen dem Wehrsold gekommen sind, um sich angesichts der komplizierten Wirtschaftssituation in den Republiken einen Lohn- und Arbeitsplatz zu verschaffen.
Frage: Wohin wurden die anderen freiwilligen Volksmilizkämpfer verlegt? Sind sie nach Russland zurückgekehrt? Fingen sie an, zivilen Geschäften nachzugehen? Oder haben sie sich wie Gerüchten zufolge vielleicht doch nach Syrien begeben?
Gennady Dubowoj: Es reisen einige vom Donbass nach Syrien. Es gibt solche Fälle. Aber das sind hauptsächlich aus Russland stammende freiwillige Kämpfer. Von uns vor Ort muss niemand dorthin fahren. Das ist nicht unser Krieg.
Wenn ich als Kriegsberichterstatter dorthin geschickt würde, ist dies die eine Sache. Aber um mich an den Kampfhandlungen dort zu beteiligen, würde ich nicht dorthin fahren, weil dies im Großen und Ganzen nicht mein Krieg ist.
Das ist ein große Geschäftskrieg der Konzerne.
Und natürlich Geopolitik. Dort müssen Berufsmilitärs mit hoch entwickelten Präzisionswaffen und spezialisierte Söldner teilnehmen. Freiwillige Kämpfer haben dort gar nichts zu suchen.
Denn wer wird hinterher für sie sorgen? Wir haben so viele ausgemusterte und vergessene freiwillige Kämpfer, auch unter den ortsansässigen Kämpfern, die keinerlei Kompensationen bekommen können, um Unterstützung nach Verwundung zu haben. Was wird aus jenen Leuten? Sie werden niemandem vonnöten sein, wenn sie überhaupt zurückkehren werden.
Die freiwilligen Kämpfer aus Russland kehren wieder zurück, weil sie das Gewünschte nicht bekommen haben. Denn es gibt keinen großen Krieg für das große Projekt, und es gibt keine soziale Veränderungen.
Ich äusserte mich darüber oft, welche beiden Hauptgründe bei den aus Russland zu uns gekommenen freiwilligen Kämpfern bestanden: Erstens ein neues Modell des Zusammenlebens als späteres Muster für Russland zu erkämpfen, bei dem sich seine wirksamsten Elemente anpassen würden und Russland umgestalten würden. Und zweitens uns endlich die Möglichkeit zu geben, Russland in seinen Zivilisationsgrenzen wieder herzustellen.
Weder das Eine noch das Andere gibt es jetzt. Was bleibt dem freiwilligen Kämpfer aus Russland? Was soll er jetzt in der Kaserne machen? Oder soll er der Ordnung halber in die Gaststätte gehen und dort herumsitzen?
Es blieb nur ein kleiner Prozentsatz, welcher seinen Vertrag hat und nach dessen Ablauf höchstwahrscheinlich abreisen wird. Es gibt jene, die in Neurussland ansässig wurden. Viele heirateten, haben sich Familien geschaffen. Der Integrationsprozess läuft auf diesem Niveau. Aber alle Übrigen warten zur Zeit auf den Krieg.
Frage: Sie sind nicht nur ein Kämpfer, sondern auch Kriegskorrespondent. Was macht der Kriegskorrespondent im Waffenstillstand?
Gennady Dubowoj: Ich habe so viel Material angesammelt, das ich nicht während der Kampfhandlungen verwerten konnte. Eine Menge Arbeit steckt da drin. Ich gehe davon aus, dass ich bei weiterem Waffenstillstand mich um alles kümmere, was da liegen geblieben ist. Und dann geht da noch ein neuer Krieg los. (Lacht)
Frage: Sie sagten mir, dass Sie vor dem Krieg in public relations (PR) tätig waren, und zwar in der Politik. Wie half Ihnen diese Erfahrung in der Tätigkeit als Kriegskorrespondent?
Gennady Dubowoj: Nun ja, wahrscheinlich war das nicht nötig. Indirekt kommt natürlich alles zugute. Aber im übertragenen Sinn bewerbe ich für niemand anstehende Projekte.
Frage: Es geht nicht so sehr um Werbung. Ich denke, dass Sie einer der Ideologen Neurusslands sind.
Gennady Dubowoj: Darüber werde ich ständig befragt. Es ist so, dass ich diesen Momenten nicht ausgewichen bin, nur um irgendwie kein Ideologe zu sein. Nichtsdestotrotz fühle ich mich auf diesem Weg und nehmen mich dementsprechend besonders die Ukrainer wahr: „Russischer Söldner, Propagandist, Journalist drängt darauf, ukrainische Journalisten zu töten!“ – Das ist der Schlüssel, der da insgesamt bedient wird. Ich habe nicht zum Töten aufgerufen.
Für Neurussland, das Projekt, die Republiken, die grössere russische Welt auf dem Territorium der ehemaligen Ukraine, unsere sozialpolitisch gestaltende Agentur „Weiss-Ukraine“ (jetzt „Weiss-Russland“) sind relevante Vorschläge vorbereitet worden. Das sozialökonomische Umgestaltungsprogramm ist bereits nutzlos. Damit befassen sich andere Leute. Natürlich schlugen wir nur vor, und die Republikführungen lehnten ab oder akzeptierten. Aber wenn es nichts wird, ist es für mich uninteressant. Ich habe jetzt die Aufgabe, das Projekt durchzusetzen. Eine Vereinbarung mit einem Herausgeber zu treffen, um alles zu beleuchten, was nicht beleuchtet worden ist.
Sprechen wir von der Ideologie, führe ich sie lebendig durch die lebendige Situation mit Personen und mit Begebenheiten. Und ich versuche, das Material zu strukturieren, damit jede Begebenheit dem ideologischen Punkt unterliegt. Auf dass die Handlung nicht nur ein Zufall oder eindimensional war, sondern verborgen ein Handlungsprogramm für den Leser enthält. Auf dieser Stufe, jawohl. Hinsichtlich Politik überlasse ich es anderen, sich damit zu beschäftigen.
Frage: Es ist fast ein Jahr her seit den Wahlen der Staatschefs und der Abgeordneten der Volksräte. Wie steht es um den Grad an Unterstützung für die Regierung?
Gennady Dubowoj: Generell positiv und zustimmend. Ich spiele nicht mit der Macht. Es gibt immer Verärgerung. Aber die Qualität der Unzufriedenheit, das Gewicht der Stimmen aus dem Volk wirken.
Unsere Agentur ist tätig, dass Umfragen über indirekte Interviews in der Öffentlichkeit geführt werden. Solche Umfragen werden regelmäßig bei den unterschiedlichen Gruppierungen des Volkes gemacht.
Und die Ergebnisse zeigen immer, dass es noch gerade maximal 2% der Bevölkerung sind, die als Teil der Ukraine weiterleben wollen. Und die Unzufriedenheit erstreckt sich auf die niedrigen Löhne, die niedrigen Renten, dass Hilfsbedürftigen von Regierungsstellen nicht geholfen wird. Dies sind die kleinen Alltagsbeschwerden, die es immer und überall in jedem Land, in jeder Gesellschaft gibt. Sie sind nicht maßgeblich.
In etlichen Bewährungssituationen steht das Volk auf unserer Seite. Es gibt keine Unzufriedenheit mit den Veränderungen, dass die Republik als eine Art Teil der grösseren russischen Welt aufkeimte.
Frage: Aber bei den Oppositionskräften?
Gennady Dubowoj: Wir stecken in einer Kriegssituation, in einer faktischen Kriegssituation. Wenn der Staat im Krieg steht, werden ein paar Oppositionsbewegungen gar nicht berücksichtigt.
Häufig sind dies Momente der inneren wirtschaftlichen Unzufriedenheit, die in der Politik benutzt werden. Dies geschieht derzeit überall. Aber organisierte politische Oppositionsbewegungen gibt es gar keine. Es gibt nicht genug Leute, um eine Basis für diese Bewegungen zu bilden.
Zweitens versteht jederman, dass es einen Krieg gibt. Und jetzt zu klagen und zu rebellieren, würde bedeuten, ihn zu verlieren. Dies wird von allen Einwohnern begriffen.
Frage: Sie berührten die vor den heutigen freiwilligen Kämpfern stehenden sozialen Probleme. Welche Mittel könnten ihnen nach Ihrer Meinung helfen? Klar ist, dass die Facebookbeiträge mit den Bitten um Unterstützung nicht ausreichen.
Gennady Dubowoj: Die Lösung kann nur allein das normale Funktionieren des Staatsapparates sein. Das ist alles.
Arbeitet die Wirtschaft, gibt es die diesbezüglichen Haushaltsmittel. Auf staatlicher Ebene sind die Behörden engagiert beteiligt, sofern die entsprechende Kontrolle erfolgt. Es war nicht so vorgesehen, dass Leute, die schwer verwundet wurden, ein Jahr später etwas Kleingeld erhielten, was nicht mal für Zigaretten ausreicht. Schrittweise ist Ausgleich zu leisten, die medizinische Struktur zu errichten, damit jedem mit Bedarf an Prothesen auch die Rehabilitation ermöglicht wird.
Dies alles ist jetzt möglich. Das Problem liegt in der Organisierung. Aber dies muss auf staatlicher Ebene gelöst werden. Keine gesellschaftliche Organisation kann dies schultern. Auch wenn all den Menschen im humanitären Bereich, all den gesellschaftlichen Organisationen, die da etwas tun, zu danken ist. Aber dies ist nur eine Verstärkung.
Und worüber wir reden, ist eine grosse Aufgabe für den Staat auf Jahrzehnte. Auf Regierungsebene muss klar der Beschluss gefaßt werden. Und wenn er gefaßt ist, dann organisiert das Volk bereits von unten an.
Frage: Welche Situation besteht bei den Medien? Es gab bisher die staatlichen Nachrichtenagenturen. Es erscheinen auch zusätzliche Publikationen wie „Афиша Новороссии“ („Mosaik Neurusslands“). Welche Publikationen und Medien braucht der Donbass jetzt?
Gennady Dubowoj: Ich machte einst die Zeitung „Голос народа — голос республики“ („Stimme des Volkes – Stimme der Republik“), gedacht als Projekt mit Reaktionen. Wir wollten ein Netzwerkprojekt errichten. Das Volk vor Ort sollte uns über alles informieren. Und zwar nach Kategorie: Wirtschaft, Stimmung in der Gesellschaft, das kriminelle Element usw. Die Zeitung war als Abonnement-Veröffentlichung mit begrenztem Budget geplant und sollte virtuell das ganze Land abdecken.
Wir fassten schnell das Material in Artikel, damit die Information sofort begutachtet wird. Die Tageszeitung war in Planung, aber der Druck lag auf dem Tisch der Führung der Republik oder beim Wirtschaftsminister, beim Informationsminister. Ich ging an die Front, schnitt das Papier und begann den gewöhnlichen bürokratischen Krempel zu erledigen.
Was da derzeit auf staatlicher Ebene getan wird, mag ich nicht, weil es sich in nichts von dem unterscheidet, was früher war. Die Medien geben nicht die Sicht der Bürger auf die Führung wieder. Sie liefern keine Reaktionen aus dem Volk. Es ist so, dass einige Journalisten weggingen, andere Journalisten aus dem einen oder anderen Grund mit ihrer Tätigkeit aufhörten. Sehr wenige professionell Arbeitende sind übrig geblieben. Das ist alles so grau und elend. Und es spielt keine Rolle, wie es konzipiert war. Es stellt sich so heraus. Was den Informationsgehalt anbelangt, ist er sehr schlecht. Die Fakten sind nicht mal so schlecht, überhaupt nicht. Aber das ist eine Frage der Zeit.
Frage: Sie erwähnten das Problem des Personalmangels. Kehren jetzt wirklich Menschen in die Republik zurück? Gibt es einen Konflikt zwischen jenen, die jetzt heimkehren und jenen, die niemals wegzogen?
Gennady Dubowoj: Ja, sie kehren zurück. Aber dies heisst nicht, dass da professionelle Fachkräfte zurückkehren.
Jeder erinnert sich an die alte ukrainische Regierung und ihre Auswahlmethoden bei den Kadern. Der ganz tief liegende Grund für diesen Krieg ist kein notorischer Nazi, sondern die Unfähigkeit der gesamten Regierung. Das ist das Erbe der Regionalen, die mit ihren Protegés jetzt alles in Donezk übernahmen und hier gerade rückkehren.
Sie haben ganz andere Diagramme im Kopf. Nicht das Verwalten, sondern das Regieren in derselben Art. Entweder dümmlich die Weisungen ihrer Herren umsetzen oder korrupt zu sein. Was sie zurückbringen, macht nicht glücklich, sondern traurig. Ausserdem hatte das Volk erstmals etwas soziale Mobilität, als dieselben „Beamten“ zurückkamen und alles blockierten.
Dies wird zu einem inneren Bürgerkrieg führen. Ich meine, dass man mit jenen, die während der Kampfhandlungen in der Ukraine waren, nicht mal etwas anfangen kann, denn das sind völlige Gegenspieler von uns.
Frage: Aber sieht das Volk auch Lebenschancen im Donbass?
Gennady Dubowoj: Momentan kann das Volk nur im Beitritt zur Russischen Föderation eine Perspektive für sich sehen. Denn alle diese angehäuften Probleme im Rahmen der „besonderen Gebiete der Regionen Donezk und Lugansk mit Sonderstatus“ können nicht allein hier gelöst werden.
Es müssen mindestens noch zwei Regionen gewonnen werden, um einen wirklichen Staat zu bilden oder ein grosses Neurussland aufzubauen. Aber dieses Projekt ist für lange Zeit geschlossen worden, so dass der Russischen Föderation beizutreten ist, um jetzt zu überleben.
Frage: Was ist heute die grundlegende Idee, welche den Republiken ermöglicht weiterzumachen? Ist dies nicht Neurussland, Noworossija?
Gennady Dubowoj: Nicht mehr. Es ist die Wiedervereinigung mit Russland. Wir sind Russen. Wir bekamen nicht das, was wir an sozialökonomischen Umgestaltungen bekommen wollten. Aber um Gottes Willen lasst uns mit Russland leben! Denn die in Russland existierenden Probleme sind überhaupt nichts im Vergleich zu den jetzt in den Republiken angehäuften Problemen.
Frage: Aber welches perfekte Drehbuch schwebt Ihnen vor? Die Expansion der Volksrepubliken Donezk und Lugansk? Oder die Wiedervereinigung mit Russland?
Gennady Dubowoj: Die sich gegenseitig ergänzenden Varianten. Für diejenigen, die anfingen, für die russische Welt im Krieg zu sein, ist der Algorithmus der Folgende: Wir rangen zumindest zwei Regionen ab, dann werden wir auch Neurussland erkämpfen.
Oder es gibt den Algorithmus, der jetzt gilt: Wir werden die Ukraine von innen umkrempeln. Das ist ein sehr langer, stufenweiser Prozess. Aber das Wichtigste dabei ist, dass der Großteil der Ukraine russisch wird, während die westliche Ukraine übrigbleibt. Ich weiß nicht, wieviel Zeit dafür nötig ist. Das ist sehr langfristig.
Ja, die innere Umgestaltung der Ukraine ist unmöglich, wenn die Volksrepubliken Donezk und Lugansk ein Teil Russlands bilden werden, wie wir es jetzt sind, und als was wir benutzt werden. Ich meine, was wenn die Führung Russlands entscheidet, den Staat Ukraine zu erhalten? Dann haben wir keinen anderen Weg außer die Wiedervereinigung mit Russland. Nicht anderes bleibt,um diese zwei Gebilde zu erhalten. Anders würden wir nicht überzuleben. Was sonst auch gesagt wird, ist Selbstbetrug. Es gibt kein Potential für eine Entwicklung dieses Landstückchens. Es kann an einem beliebigen Projekt je nach der sich ändernden politischen Wirtschaftssituation und je nach Beschluss wie üblich im Kreml gearbeitet werden. Die Dinge können sich derzeit ständig ändern.
http://rusplt.ru/donbass/gennadiy-dubovoy-deyure-myi-ukraina-defakto–rossiya-19295.html
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