Interview von Alexander Tschalenko mit dem einstigen „Volksgouverneur der Region Donezk“ Pawel Gubarew und seinerzeitigem Anführer des „russischen Frühlings“ in Donezk über „Fanal Neurussland“ und seine Ansichten (ukraine.ru, 24. September 2015)
Pawel Gubarew – „Niemand gibt Neurussland auf“
übersetzt von MATUTINSGROUP
Frage: Pawel, wenn ich richtig verstehe, dann wird demnächst bei einem Verlag in St. Petersburg ihr erstes Buch erscheinen.
Pawel Gubarew: Jawohl. Das Buch wird „Fanal Neurussland“ heissen. Es wird dick sein: 420 Seiten lang. Die 1. Auflage erscheint mit 4000 Exemplaren. Dann werden wir sehen, wie der Markt reagiert. „Sputnik und Pogrom“ machten das Lay-Out.
Frage: Haben Sie selbst „Sputnik und Pogrom“ um Hilfe gebeten?
Pawel Gubarew: Ja, ich schaue bei ihnen nach und lese bei ihnen. Ich mag ihr Design. Ich wandte mich mit der Bitte an sie, das Design zu übernehmen. Sie lehnten nicht ab.
Frage: Haben Sie auch mit Wsewolod Proswirnin darüber geredet?
Pawel Gubarew: Ja, ich diskutierte mit ihm. Wir standen in Briefwechsel. Er lehnte nicht ab. Seine Designer „malten“ ein gutes Lay-Out.
Aber ich sah mich einer Auseinandersetzung gegenüber, dass auf der Titelseite mein Konterfei nicht ist, bei welchem dann am Ende der Marketing-Zuständige des Verlegers obsiegte. Sie sagten, dass zwecks Verkauf des Buches mein Gesicht darauf sein müsste. Ich war mit meinen Kollegen dagegen. Aber die Vermarktungsleute verfolgten diese Sache sehr nachdrücklich. Und am Ende obsiegten sie.
Frage: Was können wir im Buch lesen? Was ist sein Inhalt?
Pawel Gubarew: Das ist mein Leben. Aber zugleich erhellt es die ukrainische Frage in ihrer Entwicklung und setzt dabei den Schwerpunkt auf die letzten beiden Jahrzehnte sowie ihre Unabhängigkeit. Ich zerlege dies in relevante Beispiele: Was wir in der Schule lernten. Was ich in der Hochschule lernte. Die Frage der russischen Organisationen in der Ukraine. Die gescheiterte Strategie Moskaus hinsichtlich der russischen Frage in der Ukraine.
Ich kann reibungslos in den Aufstand überleiten, welcher „russischer Frühling“ genannt wurde. Über seine Ursachen, seine Genesis sprechen. Und ich spreche auch alle seine Fehlschläge an. Ich gebe einen detaillierten Bericht darüber, was sich in Donezk seinerzeit abspielte. Was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Das Buch steckt voller Gefühle. Viele Frauen werden die Kriegsbegebenheiten lesen und weinen. Das Buch ist all jenen gewidmet, die im Krieg für Neurussland gefallen sind.
Frage: Wir das Buch neue Details enthalten, die wir zuvor nicht kannten?
Pawel Gubarew: Ja. Da stehen alle Einzelheiten über die erste Periode der Kämpfe in Donezk drin. Nirgendwo anders findet man beispielsweise die Einzelheiten darüber, wie Strelkow hierher in den Donbass kam.
Meine Gruppe war aktiv, als ich bereits im Gefängnis steckte. Daher wurden mir alle Dinge von ihnen erzählt. Von meinen Freunden, die sich für den Weg des Kampfes entschieden, und zwar zusammen als Kommandeure in der Volksmiliz des Donbass. Als wir in den Krieg zogen, begannen wir auch die richtige Zielstellung zu artikulieren, welche möglicherweise obsiegen sollte. Da erhielten viele derzeitige Führungsleute der Republik immer noch Geld von Achmetow. Das ist eine but bekannte Tatsache (Ich kann dies nachdrücklich bestätigen – RB).
Alles kommt jetzt heraus. Und früher oder später wird das alles bekannt werden. Wir leben im Informationszeitalter. Nichts kann lange verborgen bleiben. Man weiss, wie das läuft. Dank den Handlungen des Schuldigen, verlieren auch Unschuldige ihre Privatsphäre. Aber ich denke, dass das Volk, welches den Lauf der Ereignisse versteht, eine Bestätigung seiner Gedanken in meinem Buch finden wird. Ich bemühte mich um Wahrheitstreue. Ich habe nur aufgeschrieben, was ich persönlich gesehen habe.
Der zweite Teil des Buches wird darüber sein, wie ich Neurussland sehe, und zwar als ein perfektes Land. Nach meiner Ansicht ist dies sehr wichtig, denn die Fragen schweben immer noch in der Luft: Wofür kämpfen wir eigentlich? Wofür sind unsere Männer gefallen? Mussten sie dafür ihr Leben einsetzen? Ich bemühte mich, all dies ausführlich anzusprechen. Das Bild des Landes unserer Träume zu zeichnen, mit sehr fettgedruckten Konturen, wie ich es getan habe. Bei all dem steckt wenig Theorie in dem Buch. Das Meiste ist Praxis.
Alle in dem Buch aufgeführten Gedankengänge lernte ich durch die russischen Behörden kennen: zur Politik, Wirtschaft und Administration. Glasjew und Katasonow halfen mir beim Schreiben. Einer von ihnen ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler, der Andere ist ein Demograf. Dies alles verlief in Form lebhafter Gespräche. Daher sind sie Ko-Autoren meines Buchs. Ich schuf ein Bild von Neurussland als dem Land der Träume, wie wir es sehen wollen. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Bild viele ansprechen wird.
Frage: Und sehen Sie Neurussland dabei als einen unabhängigen Staat oder als einen Föderaldistrikt der Russischen Föderation? Wird auf diese Frage in Ihrem Buch eingegangen?
Pawel Gubarew: In dem Buch spreche ich keine Fragen an, die ich nicht beeinflussen kann. Wir sind nicht im Begriff, Teil eines grösseren Russlands zu werden, ohne dass dies der Willen der Führung von Russland selbst ist. Stimmt’s?
Ich vertrete die nationalistische Ideologie der russischen Zivilisation. In meinem Nationalismus gibt es keinen Chauvinismus. Der orthodoxe Nationalismus ist human. Und Russentum generell manifestiert sich selbst ausschliesslich über die russisch-orthodoxe Glaubensrichtung. Im Buch spreche ich auch darüber im einzelnen.
Frage: Ein Aserbaidschaner mag auf sein Verlangen hin ein Russe sein, stimmt’s?
Pawel Gubarew: Natürlich. Stalin sah sich selbst als Russe. Und zwar Russe georgischer Herkunft.
Und vor kurzem hatte ich in Omsk ein Gespräch mit einem Tatar, einem General vom Militär. Er argumentierte, dass es notwendig ist, die Identität des „Sowjetvolks“ wiederherzustellen. Und er nannte das Volk ein sowjetisches Volk, wobei er alles Russische verdammte.
Ich fragte ihn: Ihre Geschichte von Tatarstan,- ist das auch die Geschichte des Russischen Imperiums oder (nur) die sowjetische? Er dachte nach und antwortete nicht.
Ein russisch sprechender und denkender Tatar, der die Geschichte Russlands als seine eigene betrachtet und darauf stolz ist, der Russland liebt. Das ist kein Tatar. Er ist ein Russe tatarischer Herkunft.
Und meine Ansicht ist, dass es notwendig ist, die russische nationale Identität überall zu schaffen, und sich davor nicht zu ängstigen. Statt sich hinter „Sowjetischem“ zu verstecken, ist das Russentum anzunehmen und dabei nicht zu zögern.
Das Russentum ist der Kern der Zivilisation. Russentum und Orthodoxie. Alle Völker Russlands können ohne Russland nicht existieren. Die Dinge würden nur schlechter für sie stehen, wenn Russland schwach wird oder aufhören würde zu existieren, wie es der Westen vorhat.
Sie wollen Russland in zehn oder fünfzehn unabhängige Staaten aufspalten. Für alle ethnischen Gruppen aus Russland würden die Dinge nur schlechter dadurch werden. Russland muss stark sein. Das russische Volk muss ein starkes Volk sein. Ansonsten wird Russland eben nicht überleben.
Russland ist ein Imperium. Und die russische Mission besteht darin, die Welt gerechter zu gestalten. Früher oder später wird Russland die ganze Welt zu seiner Interessensphäre erklären. Die Herrscher über Russland werden die russische Ordnung über die Welt bringen. Und es wird gerechter zugehen als was wir heute haben. Was jetzt die Macht der Usurpatoren und Räuber ist. (Ja, das ist alles völliger Schwachsinn – RB)
Frage: Ein paar gute Leute aus den linksgerichteten Kreisen nahe an Kurginjan assoziieren den russischen Nationalismus mit Wlassow. Demzufolge wäre Pawel Gubarew mutmaßlich, ob es ihm gefiele oder nicht, ein neuer Wlassow.
Pawel Gubarew: Wlassow war eine unerhebliche kleine Erscheinung im Grossen Vaterländischen Krieg. Viele Leute reden gerne Unsinn über die „Millionen von Russen, die für Hitler kämpften“. Das ist Unsinn und absurd.
In meinem Regal steht ein Buch mit einer Widmung des Kulturministers von Russland, Wladimir Medinski und dem Titel „Die Mythen über den Krieg 1939-1945“. Fakt ist, dass in der Wlassow-Armee lediglich 100.000 Russen unter Waffen standen. Und sie wurden vor allem für Polizeidienste eingesetzt, wie das auch bei den Bandera-Gefolgsleuten von der UPA der Fall war. Wlassow und Bandera sind für mich dasselbe.
Kurginjan und seine fanatischen Unterstützer bemühen sich derzeit, aus mir einen „neuen Wlassow“ zu machen. Dies auf der Grundlage, dass meine Gruppe und ich mit Strelkow zusammenarbeiteten.
Sergej Jerwandowitsch Kurginjan und Verbündete,- seid nicht lästig! Im Donbass verachten wir Wlassow so sehr wie Bandera. Einer meiner Grosseltern war ein Partisan im Donbass. Der Andere nahm an der Befreiung von Budapest teil. Sie kämpften in der Roten Armee. Alle meine Grosseltern waren Kommunisten. Ich wuchs auf mit ihren Geschichten über die Aufopferung der sowjetischen Soldaten.
Frage: Was sind Ihre Ansichten diesbezüglich?
Pawel Gubarew: Meine Ansichten sind sozialistisch. Und zwar eine Synthese aus dem europäischen und sowjetischen Sozialismus. Ich finde bei beiden positive Momente, welche ich in dem Buch zusammenfüge. Ich gab dieser Synthese den Namen orthodoxer Sozialismus. Orthodoxe Tradition, orthodoxe Werte, in Kombination mit den sozialistischen Methoden der Produktion und der Verteilung des gesellschaftlichen Produkts.
Unser Volk will Gerechtigkeit. Und die Gerechtigkeit sollte darin bestehen, dass Chancengleichheit herrscht. Jeder sollte gleichen Zugang zu den Fortschritten der Medizin, der Bildung haben. Nicht wie in Pindostan, in der USA, wo die reichen Weissen auf die angesehenen Schulen gehen, aber die armen Weissen und die Niggers auf die armen Schulen gehen, wo sie wie Vieh gehalten werden.
Ich bin für die sowjetische Gesellschaftsordnung mit gleichem Zugang für alle und maximalen Bedingungen der Gleichheit und der gesellschaftlichen Mobilität. Damit kann man die Autorität auf den Grundsätzen der Verdienste aufbauen. Und jene an der Macht werden ihrer Funktionen würdig sein. Und sie werden nicht die Kinder der Generäle und der hohen Beamten sein. Sollte derlei Vetternwirtschaft möglich sein, dann wird die Gesellschaft degenerieren und in Bedingungen kommen, die es leicht machen, sie von aussen zu unterminieren, wie es grob gesagt in der Ukraine geschehen ist, wo alles vor über 20 Jahren privatisiert wurde. Das ist die Negativauswahl für die Elite, bei der nur die gerissensten und zynischsten Gestalten an die Macht gelangen, und dies nur auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten, das Budget zu Lasten Anderer für sich zu vereinnahmen.
Und diese negative Elite-Auswahl, mit welcher wir hier aufgewachsen sind,- da erinnert sich jeder, wie sie sich davonmachte. Aber jetzt kriechen sie langsam in die Volksrepublik Donezk. Nichts kann sie hindern. Sie sind wie Würmer. Sie laufen. Und sie klettern. Für sie war der Krieg überhaupt kein Krieg. Sie leben, wo es warm ist.
Frage: Spüren Sie, dass die Menschen sich Ihnen zuwenden wegen neuer Einzelheiten über die Ereignisse des russischen Frühlings hier in der Volksrepublik Donezk oder dort in der Ukraine oder in Russland?
Pawel Gubarew: In der Volksrepublik Donezk wird es viele Leute geben, die mit meiner Ansicht nicht übereinstimmen. Sie werden argumentieren und haben ganz verschieden argumentiert. Ich spreche da gerade von denjenigen Leuten, die dann für Achmetow tätig wurden und von ihm Geld nahmen. Sie beanspruchen nun, dass sie die Revolution machten.
Vor kurzem kamen laut Puschilin diese MMM-Leute (aus Puschilins früherer Vereinigung mit einem Betrüger – RB) an die Oberfläche. Ihnen zufolge machten sie die Revolution in Donezk im Frühjahr 2014.
Aber im Buch erzähle ich, wer seinerzeit die Revolution machte. Das waren die Patrioten des Donbass, die Vertreter der prorussischen Kräfte und des Volkes des Donbass, und zwar im weitesten Sinn des Wortes. Und nicht jene MMM-Leute!
Vor kurzem unterhielt ich mich mit jemand von der Polizei in Donezk, der früher ein ukrainischer Polizeibeamter gewesen war. Jetzt ist er ein grosser Leiter im Innenministerium der Volksrepublik Donezk. Er sagte: „Wir alle nahmen an der Revolution teil.“ Ich antwortete: „Gut, ja natürlich taten Sie es.“ Ich lächelte ihn an. Und ich zeigte ihm ein Video mit ihm selbst im März auf der Demonstration, wo er versuchte, das Gebäude der Regionalverwaltung Donezk zu verteidigen, als die Menge in Sprechchören rief „Gubarew! Gubarew!“ und dann durchbrach an diesem Ort. Ich kam dann ins Gefängnis. Und ich sagte ihm: „Das bitte sehr sind Sie! Das ist Ihre Story! Dass Sie jetzt hier in Leitungsfunktion sitzen, heisst nicht … Gut. Setzen Sie sich. Niemand bedrängt Sie jetzt deswegen. Aber es ist schlecht von Ihnen, Vertrauen einzufordern für Ihre Teilnahme an der Revolution!“
Leider stimmt es, dass die Revolutionen von Genies geplant werden und von Romantikern ausgeführt werden, aber dann ihre Früchte von Schurken genossen werden (zitiert nach Otto von Bismarck -RB). Das weiss ich.
Frage: Man sagt, dass Pawel Gubarew keine politische Karriere in der Volksrepublik Donezk machen kann, weil er nicht führbar ist.
Pawel Gubarew: Das stimmt! Mich kann man nicht führen. Und ich beanspruche die Rolle des unbequemen Objekts.
Frage: Und Sie versuchten, sich selbst dorthin zu bringen … sozusagen.
Pawel Gubarew: Zurück auf das Radar? Gut, natürlich. Ich bin jetzt wieder zurück auf ihm. Oder hörten Sie oft Kritik von mir? Wenn ich kann, dann versuche ich, in den Rahmen zu passen. Jemand muss begreifen, wann und wo jemand etwas zu sagen hat, wie eine alte Redensart besagt.
„Wir haben einen guten Schachspieler. Also störe man ihn nicht, während er spielt.“ Dies wurde über Putin gesagt, als Starikow in Donezk war. Folglich mischte ich mich nicht ein. Ich vertraue Putin. Ich denke, dass er gute moralische Absichten und intellektuelle Qualitäten hat. Und ich habe eine starke Meinung darüber, dass die Führungsleute Russlands wissen, was sie tun. Wenn also eine Grossmacht spielt, dann mische man sich besser nicht ein.
Ich bin ein Volksführer. Ich zeigte meinen Mut und meine Entschlossenheit. Und ich gewann das Vertrauen des Volkes für mich selbst. Aber wäre ich führbar, hätte ich Achmetows Geld genommen und wäre gegangen, um ein Geschäft aufzubauen.
Als Zarew sagte, dass „das Projekt Neurussland“ geschlossen wird,- wie wurde dieses Wort aufgenommen? Ich realisierte, dass der Mann unter Druck stand. Zarew war dazu gezwungen worden. Ob dies gut oder schlecht war,- wer zur Hölle weiss das? Beispielsweise ist für eine Karriere besser, sich führen zu lassen. Mag sein, dass ich eine Karriere hätte machen sollen und würde dann jetzt auf dem Platz von Sachartschenko sitzen (lacht).
Aber andererseits Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen, die ich nicht mag, die nicht meiner Wahl entsprechen. Ich weiss nicht … Ich habe lange und tiefgreifend darüber nachgedacht.
Aber Zarew bewältigte dies. Ihm wurde gesagt, es zu schliessen. Und sofort begann er zu verkünden, dass das „Projekt Neurussland“ geschlossen ist.
Als er von der Projektschliessung redete, bezog er sich seinerzeit gar nicht auf das Projekt als solches, sondern auf das Parlament Neurusslands. Es gibt für ihn gar keine Zuständigkeit für den Fall des Projekts „Neurussland“ ausserhalb des Parlaments. Da sieht man, dass Zarew ein Kind des ukrainischen Parlamentarismus ist.
Wir alle wissen, wie das bei solchen Leuten läuft. Der Wind weht sie von einem Platz zum anderen Platz. Und dort entfalten sie ihre Mechanismen. Dann weht der Wind sie zu einem erneut anderen Platz, und dort entfalten sie sie erneut. Dann fegt ein Sturm sie hinweg. Und sie sind vergangen, haben sich völlig verflüchtigt, gut so.
In dem Buch schreibe ich darüber im einzelnen. Wo Zarew seit 22. Februar war, als seinerzeit gerade das Präsidium des Kongresses der Ortsräte in Charkow saß, sie alle dort ihre Hände hoben, bis April? Gut, erinnert man sich, als sie alle, Dobkin und die Anderen, in Charkow verlautbaren liessen, dass die Regierung in Kiew illegitim ist? Dass alle Macht in die Hände der örtlichen Räte übergegangen ist? Gab es das? Das war so. Wurde abgestimmt? Sie stimmten ab. Wohin hatte sich Zarew während dieser Zeit verflüchtigt?
Frage: Wohin verflüchtigte er sich denn?
Pawel Gubarew: Wohin er sich verflüchtigte? Er schloss sich selbst in seinem Haus in Djepropetrowsk ein. Und er saß dort bis Anfang April. Bis zu jenem einen Tag, an dem er herausfand, dass Kolomoisky alle Firmen aus seinem Eigentum beschlagnahmt hatte.
Dann begann Zarew seine politische Tätigkeit. Hier liegt die Quelle seiner politischen Tätigkeit. Und sie ist nicht dem Projekt „Neurussland“ verpflichtet. Dann begannen sie ihn einzusetzen. Er wurde versetzt und versetzt, er wurde leidenschaftlich. Dann bewegte er sich gerade nicht. Er war gegangen. Geführt? Ja, kontrolliert.
Aber brauchen wir solche wie ihn geführten Politiker? Ein Poroschenko-Unkraut in der Politik reicht aus. Ich nenne solche Politiker „Unkraut“. Diese Politik ist ein Unkrautgarten. Schütte Wasser auf das Unkraut, und es beginnt zu wachsen. Höre auf mit dem Wasser, und es verdorrt. Und längere Zeit kein Wasser, dann geht es ein. Und bei all dem kann man immer mit ihm machen, was man will.
Ich bin nicht führbar. Daher bin ich kein Unkraut. Was? Ich hätte der Anführer des Aufstands werden können, wäre ich führbar gewesen? Wäre ich führbar, hätte ich mein Geld von Achmetow genommen und wäre geschluckt worden! Für ihn gab es in Donezk keine Revolution. Alle hätten in den Büros und sicheren Wohnungen gesessen. Der nichtgeführte Gubarew hat eine Revolution in Donezk begonnen. Alle gingen zurück dorthin und sagten:
Sind Sie völlig verrückt? Wohin versteigen Sie sich? Was sind Ihre Kräfte?
Ich erwiderte:
Was sind meine Kräfte? Für mich ist es das Volk, tausende Menschen, das ist die Macht! Und Sie sind völlig ausgelöscht. Ihre Führer rannten weg. Aber Sie sind zurück auf derselben Strasse. Gehen Sie zurück zu denen. Und wir werden die wahre politische Macht hier errichten!
Es gibt eine dermaßene Vielfalt an Leuten, an fanatischen Konformisten. Ihre Ideologie ist gemäß dem fanatischen Konformismus. Das ist im Grund die Ideologie des politischen Unkrauts. Solche Politiker haben absolut keine Anschauungen, keine Ideale, keine Grundsätze. Die Prinzipien ihrer Ideologie sind einfach:
Versuche, dich an Prozess zu hängen und schlage Profit dabei raus.
Wirst du aus dem Prozess geworfen, dann versuche zurückzukehren, um weiter Profit rauszuschlagen.
Finde Machtzentren, die momentan herrschen und diene ihnen. Sie werden dir helfen, dich selbst in den Prozess einzubetten, um Profit rauszuschlagen.
Haben Sie das Cartoon „Lakaien“ gesehen? Sie sind meinem politischen Unkraut ganz ähnlich.
Und dann lehnten die regionalen Eliten ab, die Beschlüsse des Charkower Kongresses der örtlichen Räte umzusetzen, was den Übergang der Macht im Südosten in die Hände der örtlichen Räte und örtlichen Selbstverwaltung anbetraf. Ich trat vor dem Stadtrat und vor dem Regionalrat auf. Ich fragte: Unterstützen Sie uns? Aber ich sah in ihre Gesichtern nur Entsetzen. Und mir wurde klar, dass sie uns nicht unterstützen, sie waren voller Furcht. Sie waren lustig beim Charkower Kongress. Obwohl der Geist dort von all dem Geruch geprägt war, weil das alles geführt war.
Ich spreche jetzt vom Auftritt von Zarew, man erinnere sich, als er sich dort ausmurmelte. Dobkin, wie sie sagen, ging zu Benny (Kolomoisky) and stimmte allem zu, was er forderte. Janukowitsch war nirgendwo. Pschonka und Klimenko hatten schon einen Plan Richtung Flughafen Donezk gemacht. Jeder machte sich auf und davon.
Für uns war klar, wir alle kennen diese Elite. Das ist nur vom Namen her eine Elite. Sobald sie ein Entsetzen verspüren, stellt sich heraus, dass das keine Elite ist, sondern das sind Häschen und Papageien, deren Beine so lodern, dass die Mama nicht schreit.
Ich versuchte, ein anderes Podium in Charkow zu erklimmen. Aber dort wurde ich von den „Tanten“ des Charkower „Oplot“ blockiert (russische Umschreibung für alles steuernde Begleitbeamte – RB). Wir wussten, dass diese „Elite“ einfach gehen mussten, wenn sie nicht auf unserer Seite ist.
Frage: Warum gelang es dann in Donezk und Lugansk, aber nicht in Charkow und Odessa?
Pawel Gubarew: Weil sie dort den Verrat der regionalen Eliten unterschätzten. Sie gingen dann alle zu Kernes. Und Kernes überzeugte sie, dass er auf ihrer Seite ist. Und in Odessa überzeugten die Kerewnik-Anhänger das Volk ebenfalls, dass sie auf seiner Seite stehen würden. Und die Aktivisten vor Ort glaubten denen. Was ein schrecklicher Fehler war.
Die regionale Elite, die „Partei der Regionen“, ihr Problem ist, dass sie nie eine Ideologie geschaffen hat. Wenn die Elite in Dnjepropetrowsk die ukrainische nationalistische Ideologie usurpierte und sie zu einem Deckmantel für ihre Kreise aus Finanzgewaltigen und Industriellen machte, so war unsere Elite unfähig, eine Ideologie zu schaffen oder sich einer zu bemächtigen. Diese Ideologie ist nicht so weitgehend. Die Ideologie in den Donbass-Republiken ist es, durch Medienereignisse die Realität zu ersetzen.
Frage: Wenn die Antragsformulare für die russischen Pässe in Donezk erscheinen, werden Sie eines nehmen?
Pawel Gubarew: Nein, das werde ich nicht tun. Denn meine Mission ist die Rückführung der gesamten Ukraine in den russischen Zivilisationsraum. Wenn es Bedingungen für politische Handlungen im Rahmen der Ukraine gibt und die Doppelstaatsbürgerschaft in der Ukraine verboten sein wird, dann wird Pawel Gubarew ein ukrainischer Politiker sein. Alle in den Donbass-Republiken sind ängstlich wegen einer Rückkehr in die Ukraine. Aber für mich stellt dies die Möglichkeit dar, für Neurussland zu kämpfen.
Frage: Somit stellt sich heraus, dass Pawel Gubarew für eine vereinte prorussische Ukraine steht?
Pawel Gubarew: Pawel Gubarew ist ein Unterstützer des mit 4 Ozeanen gewaschenen Russlands, welches jetzt vor unseren Augen wiedergeschaffen wird. Dieser Prozess wird die Wiederzusammenführung des russischen Zivilisationsraums und die Wiederherstellung der territorialen Integrität genannt. Sie können dies nennen, wie sie wollen. Aber für mich ist das der grosse russische Zivilisationsraum. Ob er einheitlich oder als eine Eurasische Union restrukturiert werden wird, was die „vereinte prorussische Ukraine“ einschliessen wird, sei dahingestellt. Aber die Ukraine kann nicht prorussisch in der allernächsten Generation sein. Wir werden mit der nächsten Generation arbeiten.
Frage: Erklären Sie, was das dann bedeutet, „prorussischer ukrainischer Politiker Pawel Gubarew!
Pawel Gubarew: Ist der Donbass nicht in seinen formalen Merkmalen ein Teil der Ukraine? Jedenfalls ist er dies nach internationalem Recht.
Man muss den Verlautbarungen von Putin und Lawrow sorgfältig zuhören. Sie alle geben zu, dass die Region heute ein Teil der Ukraine ist. Ein besonderer Teil, mit einem Sonderstatus. Die separaten Gebiete der Regionen Donezk und Lugansk mit Sonderstatus, und wir alle müssen die ukrainische Sprache als Amtssprache sprechen. Wir alle verstehen sie. Ich sehe daran nicht schlimmes. Das ist faktisch die Mission des Donbass, das Piemont für Neurussland zu werden. Der Donbass kann nicht von der Ukraine abgetrennt werden, weil die Region das Piemont Neurusslands ist.
Lassen Sie mich dies erklären: Die Piemont-Region ist das Herz des italienischen Volkes. Von dort her ging das Projekt der italienischen (Wieder-) Vereinigung aus.
Galizien ist das ukrainische Piemont genannt worden. Das ist eine Region, die von der ukrainischen Ideologie und Identität zusammengeschweisst und entwickelt wurde. Und dann verbreitete sie sich immer weiter, bis Kleinrussland zur „Ukraine“ wurde.
Aber der Donbass im 21. Jahrhundert wird die Mission des Piemonts für Neurussland haben. Unser Ziel ist die Rückführung der angestammten russischen Länder in den gesamtrussischen Zivilisationsraum. Mit allen Mitteln. Mit allen Mitteln! Wir sind die Macht. Aber das Leben wird uns in diesem Kampf nicht schonen!
Frage: Pawel… Gut, dann in diesem Fall erklären Sie, in welcher Beziehung zueinander stehen bei diesen Konzepten die Ukraine und Neurussland, denn unter Neurussland versteht man, was „Südostukraine“ genannt wird.
Pawel Gubarew: Der grosse Historiker Lew Gumilew hatte eine Theorie der Leidenschaftlichkeit. In dieser Theorie gibt es eine Theorie der Komplementarität. Menschen ergänzen sich gegenseitig, es gibt diese Komplementarität. Nimmt man die Ukraine, dann ist die Ergänzung zur russischen Zivilisation lediglich die Einwohnerschaft Galiziens.
Frage: Und Wolhyniens.
Pawel Gubarew: Gut, Galizien und Wolhynien. Der Rest der Ukraine ist ganz komplementär zum russischen Projekt. Ja, infiziert mit anderer Völker Inhalte, aber das ist nur eine Beigabe zur Bearbeitung. Bei Galizien werden wir sehen, was damit zu machen ist. Wir schliessen jetzt den Film „Galizische Rus“ ab. Da geht es um jene Zeiten, als die russische Identität dort zerstört wurde und statt dessen die ukrainische Identität geschaffen wurde.
Kann es einen Umkehrprozess geben? Natürlich! Das Potential Neurusslands ist gegeben. Und das Potential der russischen Zivilisation. Ohne Neurussland ist es unmöglich, von der russischen Zivilisation generell zu sprechen. Schauen Sie auf die Karte Neurusslands. Russland wird langfristig spielen. Und so zynisch es klingt, dieses Spiel dauert immer länger. Das wird wie der Gaza-Streifen werden, wo es den Konflikt niedriger Intensität mit Perioden des Aufflammens gibt. Mit dem Tod von Zivilpersonen.
Ich habe den Eindruck, dass Russland derzeit auf Zeit zu spielen versucht. Und den Donbass benutzt, die prorussische nationalistische ideologische Kraft der Ukraine zu zwingen, die Rückführung der Ukraine in den russischen Zivilisationsraum zu erreichen. Es muss eine Partei geben, die die Fahne Neurusslands hissen wird. Sie mag im Untergrund oder legal sein, das weiss ich nicht. Es gibt auch Beispiele mit der Irischen Republikanischen Partei.
Frage: Wie bewertet Pawel Gubarew Minsk-2?
Pawel Gubarew: Ich bin tolerant, weil klar ist, dass das ein „Schachspielen“ ist. Folglich beschlossen sie Minsk-2 im Kontrast zu Minsk-1. Es „besuchten sich“ Merkel, Hollande und Putin. Und auch wenn sie nichts unterschrieben, verankerten sie diese Arrangements mit ihrer Präsenz. Sie erklärten, dass ein friedlicher Ausweg aus der Krise entstehen solle. Dies ist von gegenseitigem Nutzen. Weil wie alle dies nicht umsetzen konnten, es aber die Logik der höchsten Ordnung ist, denn es kommt von einer Kraft, auf die wir keinen Einfluss haben. Wir haben ihren Eifer zu dieser Politik gedämpft und versucht, uns nicht einzumischen.
Frage: Ihre Freunde sagen da, Neurussland wird aufgegeben.
Pawel Gubarew: Wer sind meine Freunde?
Frage: Strelkow…
Pawel Gubarew: Strelkow … die „Aufgabe“ Neurusslands sehe ich nicht. Lediglich einen Prozess des Kaufens, sowohl auf dieser als auch jener Seite. Keiner ist unterlegen. Jetzt ist der Konflikt eingefroren. Die Volksrepubliken Donezk und Lugansk mit 4,5 Millionen Menschen, die Ukraine mit 40 Millionen Menschen. Die Finanzlast für den Westen ist zehnmal höher.
Nimmt man die Gespräche von Minsk, ist alles knallhart. Ich las die Transkripte über die Durchführungsbestimmungen. Ich sehe, dass es in allen Untergruppen keinen konstruktiven Dialog gibt. Das ist eine Art Bild.
Ich bin in der gesamten Zeit hier in der Volksrepublik Donezk und gehe nirgenwohin weg. Und ich sehe, dass Neurussland nicht ausgeliefert wird. Es gibt einige Probleme durch die Tatsache, dass die Rechtsprechung auf einem recht grossen Stück Land zermahlen worden ist.
Natürlich braucht es Zeit, die Ordnung wiederherzustellen. Alles läuft derzeit besser, wennn auch langsam. Das Volk findet es schwierig, mit der jetzt hier vorhandenen Administration zu überleben, denke ich. In Donezk mit 2000 Rubeln auszukommen, ist hart. Aber das Volk schafft das. Wir, das Volk, sind stark. Wir sind ein entschlossenes Volk.
Und wissen Sie, was die Menschen sagen? Die Frau in Donezk an der Putilowka-Brücke und ständig unter Feuer, weil immer etwas dort einschlägt. Sie sagte mir:
„Pawel, ich lebe 8 Monate lang im Keller. Ich werde noch viele Monate darin leben. Lieber so, als dass die Ukraine hierher kommt.“
Das Volk ist bereit zu dulden, dass unsere Erklärung eine Realität wurde. Ich denke, dass der Donbass eine Art von assoziierter Staatsform wie Transnistrien ist, aber die Konturen seiner Existenz ähneln dem Gaza-Streifen. Eine unabhängige Rechtssprechung im sich dahinschleppenden Kriegszustand mit Brennpunkten.
Frage: Wie sehen Sie es, ob im Frühjahr 2014 die russische Armee in den Donbass hätte eindringen sollen.
Pawel Gubarew: Gut, was denken Sie? Ich bin ein russischer Nationalist. Wenn man die Russen tötet, sollte es eine unverzügliche schwerwiegende Reaktion geben. Jederman in der Welt muss begreifen, dass Russen nicht getötet werden dürfen!
Aber Russland wird nicht von Nationalisten beherrscht. Es gibt die Liberalen. Es gibt die oligarchischen Gruppen … . In Russland selbst gibt es nicht einmal die Erscheinung der Oligarchen, nein! Das stimmt. Sondern die oligarchischen Gruppen starten auf dem Föderal-Level. Sie bestimmen keine öffentliche Politik. Aber sie sind einflussreich. Und sie spielen nach ihren selbstgesetzten Regeln. Putin lässt sie nicht brutal sich gegenseitig bekämpfen. Sie spürten, dass er ihre Interessen verletzt hatte, denn ihre Einkünfte sinken derzeit wegen der Sanktionen.
Dies rief die Lösung für den Donbass hervor, das Problem wie jetzt abzuhandeln. Ich als bescheidener Führer des Donbass-Volkes kann diese Prozesse nicht beeinflussen. Dem heutigen Russland kann man nicht die Qualität Sowjetrusslands oder des vorrevolutionären Russlands beimessen. Das derzeitige Russland hat von seinen ökonomischen und menschlichen Ressourcen her nicht jenes Potential. Russland ist keine UdSSR, kein Zarenreich. Es ist sehr wichtig, dies zu begreifen.
Um einen heissen Krieg in einem Land von der Grösse der Ukraine zu führen, ist eine recht gefährliche Besetzung angesagt. Auch dies war ein Faktor in der Entscheidungsfindung. Das Volk saß da, sah sich alles an und beschloss, nicht zur Armee zu gehen. Nur die Zeit wird sagen, ob diese Entscheidung richtig oder falsch gewesen ist.
Ich weiss, dass es innerhalb der Führung Russlands Unterstützer einer Invasion und Gegner einer Invasion gibt. Aber der höchste Kommandeur traf eine kalkulierte Entscheidung. Und wir müssen sie akzeptieren und das Beste daraus machen.
Quelle: http://ukraina.ru/interview/20150924/1014382567.html
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